Feuerwehr und Bürgersaal , Tengen/ Deutschland

Selbst in der an Besonderheiten nicht armen Städtelandschaft Südwestdeutschlands nimmt Tengen eine Sonderstellung ein. Nicht nur zählt es – wie es ein altes badisches Sprichwort überliefert – zu den „schönsten Städt‘ der Welt“. Sondern hinter Tengen verbergen sich gleich zwei Städte: Tengen-Hinterburg und die Vordere Stadt (Tengen-Stadt). Die historische Stadtanlage zeugt heute noch von den beiden mittelalterlichen Städten. Neben den beiden Städten befand sich auf Gemarkung der Kernstadt Tengen noch eine weitere Siedlung: Tengen-Dorf. Bedingt durch diese historische Entwicklung hatte die aus mehreren Teilen zusammengesetzte Kernstadt Tengen (heute 8 Ortsteile mit 4.800 Einwohnern) bislang keine richtige Ortsmitte und keinen zentralen Platz. In den 70er Jahren hat man das Rathaus von Tengen in der geographischen Mitte des Ortes platziert, tatsächlich ist es von jedem der drei historischen Kerne aus gesehen in Randlage. Angrenzend an das Rathaus befindet sich ein alter Kastanienhain. Dieser diente früher als Viehmarktplatz. 2018 hat sich die Stadt Tengen angeschickt, eine neue Ortsmitte am Rathaus zu entwickeln. Den Startpunkt bildete ein Planungswettbewerb zur neuen Ortsmitte mit Feuerwehr, Bürgersaal und Ärztehaus.

Der städtebauliche Wettbewerbsentwurf – Arge Bäuerle Lüttin Senner – definiert die Ortsmitte Tengen um den wunderschönen Kastaniengarten und Rathaus neu. Durch die Setzung der neuen Gebäude auf fast nur bereits versiegelten Flächen (Strassen, Parken, Gebäudeabriss etc.) entstehen neue Stadträume um die altehrwürdigen Kastanien.

Der neue Bürgersaal fasst die Ortsmitte von Tengen mit einem städtebaulich und stilistisch schlüssigen Neubau und fügt sich mit seinem traditionellen Satteldach selbstverständlich in den Dorfkontext ein. Nach Süden bildet das neue Ärztehaus den Abschluss. Der Baukörper des Bürgersaals gibt auf der einen Seite dem Kastanienplatz mit seinem alten Baumbestand einen sensibel proportionierten Abschluss. Auf der anderen Seite wird das Bestandsgebäude der Stadtmusik über einen intimen Hof zu einem Ensemble verbunden.

Um neben Sitzungen des Rates den Bürgern und Vereinen Raum zu bieten, entschied sich die Stadt für den Neubau des Bürgersaales. Mit der Einbindung des Probelokals der Stadtmusik entsteht zusätzlich ein räumlich gefasster "Bürgerhof". Der Saal orientiert sich mit großflächigen Verglasungen Ost-West sowohl zum Kastaniengarten wie dem Bürgerhof. Sie geben unter den Baumkronen der Kastanien Einblick in den Saal und unterstreichen seine öffentliche Funktion.

Der offene Charakter des Saals setzt sich mit der sichtbaren Tragkonstruktion aus Holz und den Verglasungen über den geschlossenen Rückseiten der Giebelfronten im Innenraum fort. Der Dachraum öffnet sich nach Süden und Norden und lässt durch Lamellen gefiltertes Licht in das aufgelöste Holz-Tragsystem des Raumes fließen. Eingang, Erschließung und Nebenräume sind funktional und konstruktiv losgelöst, werden aber stilistisch elegant über den umlaufenden Sims mit dem Saal verbunden.

Die Materialisierung des Gebäudes ist mit der horizontalen Schnittstelle logisch und ablesbar. Oberhalb dem „Null-Niveau“ ist das Tragwerk mit Holz aus lasierter Fichte sowie Fassade und Ausbau aus Weisstanne konzipiert, unterhalb kommen für Sockel und Boden mineralische Werkstoffe zur Anwendung. Dach- und Wandbekleidung sowie der Sichtestrich erzeugen mit der Möblierung und Vorhängen eine zeitlos wohnliche Atmosphäre für die "Stube" der Stadt Tengen.